Fachkräftemangel

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Als Fachkräftemangel bezeichnet man den Mangelzustand einer Volkswirtschaft, in dem eine bedeutende Anzahl von Arbeitsplätzen für Arbeitnehmer mit bestimmten Qualifikationen nicht besetzt werden kann, weil auf dem Arbeitsmarkt keine entsprechend qualifizierten Fachkräfte zur Verfügung stehen. Anzeichen für einen Fachkräftemangel können etwa überdurchschnittliche Steigerungen der Arbeitsentgelte eines Fachgebiets sein.

Ein Mangel ist demnach vor allem im sozialen Bereich zu finden, wie bei der Sozialarbeit und -pädagogik, bei Erzieherinnen und Erziehern sowie in der Pflege. Stark betroffen sind ebenso die Bauelektrik, die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und die Informatik.

Fachkräftemangel und Arbeitskräftemangel sind zunehmend wichtige Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Der demografische Wandel ist eine der Ursachen für den wachsenden Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften, die die geburtenstarken Babyboomer ersetzen. Bereits jetzt sind einzelne Bereiche wie das Baugewerbe oder das Gesundheitswesen stärker betroffen als andere. Auch gibt es regionale Unterschiede bei der Erwerbstätigkeit, bei Arbeitsangebot und -nachfrage. Teilzeitbeschäftigung oder das Renteneintrittsalter beeinflussen ebenfalls das Angebot an Arbeitskräften und das bereitgestellte Arbeitsvolumen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen und für qualifizierten Nachwuchs zu sorgen, ist Bildung von entscheidender Bedeutung. Aber auch die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland spielt hier eine wichtige Rolle.

Der demografische Wandel spielt bei der Entwicklung des Angebots von Arbeitskräften in Deutschland eine zentrale Rolle. Ein Großteil der heute Erwerbstätigen gehört zur Generation der Babyboomer und geht in den nächsten rund 15 Jahren in den Ruhestand.

Prognosen der Entwicklung des Arbeitsmarkts bis 2060

Bei der Diskussion über einen Fachkräftemangel ist es sinnvoll, Fachkräfteengpässe von Fachkräftemangel als langfristigem, tendenziell alle Regionen und Branchen erfassenden Arbeitsmarktungleichgewicht zu unterscheiden. Der Diagnose, es gebe bereits einen umfassenden Fachkräftemangel bzw. es werde ihn bald geben, liegen dabei typischerweise die folgenden Argumente zugrunde:

Das Angebot an Fachkräften wird aus demografischen Gründen zurückgehen. Im Jahr 2003 sagte das „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)“ voraus, „[e]in halbwegs ausreichender Ersatz an qualifizierter Erwerbsbevölkerung wäre […] nur zu erwarten, wenn sich die nachrückenden geburtenschwachen Jahrgänge deutlich besser qualifizieren würden als die demnächst ausscheidenden Älteren. Gerade dies ist derzeit aber nicht in Sicht, denn aus der Bildungsexpansion von einst ist zwischenzeitlich in weiten Teilen Stagnation geworden.“  Im Jahr 2011 stellte das Bundesinstitut für Berufsbildung fest, dass es bei den damals unter 50 Jahre Alten in Deutschland keine Bildungsexpansion mehr gegeben habe.

Als Reaktion auf die demografische Entwicklung schlug Michael Hüther 2012 eine auf „drei Säulen basierende Strategie vor“:

  1. die Erhöhung der Anzahl der Anbieter auf dem Arbeitsmarkt, etwa durch eine geregelte Zuwanderung oder eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung;
  2. eine längere Arbeitszeit der Erwerbstätigen, zum Beispiel durch eine verlängerte Lebensarbeitszeit oder eine Erhöhung des Vollzeitanteils;
  3. die Erhöhung der Produktivität je geleistete Arbeitsstunde durch Humankapitalbildung.

Wenn trotz der Möglichkeit, die genannten Maßnahmen zu ergreifen, ein Fachkräftemangel prognostiziert wird, dann gehen die Urheber der jeweiligen Prognose in der Regel davon aus, dass eine Erhöhung der Erwerbsquote (insbesondere der Frauenerwerbsquote) und Veränderungen in der Bildungsbeteiligung (d. h. eine Erhöhung der Quote von Bewerbern mit einem höheren Schul- bzw. Ausbildungsabschluss) sowie eine Verlängerung der durchschnittlichen individuellen Lebensarbeitszeit nicht ausreichen werden, um den demografischen Rückgang auszugleichen. Die Nachfrage nach Fachkräften werde steigen oder aber zumindest weniger stark sinken als das Angebot an Fachkräften. Das Verhältnis von Nachfrage und Angebot an Fachkräften werde also aus Sicht der Fachkräfte günstiger. Eine steigende Nachfrage nach Fachkräften könne dabei entweder dadurch zustande kommen, dass Sektoren mit hohem Fachkräfteeinsatz an Bedeutung gewännen, oder aber dadurch, dass technologische Entwicklungen den Einsatz von Fachkräften begünstigten.

Eine langfristige Prognose des Fachkräftebedarfs in Deutschland ist schwierig, da zahlreiche Randbedingungen den Fachkräftebedarf in Deutschland beeinflussen. Eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft Kiel kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass gerade Berufe der MINT-Fächer besonders leicht ins Ausland verlagert werden können und auch verlagert werden, weil sie zum einen auf einem international standardisierten Wissen basieren (die Naturgesetze gelten überall auf der Welt) und zum anderen keine großen Anforderungen an die Infrastruktur stellen. Die Verlagerung von Fertigungseinrichtungen ins Ausland ist deutlich aufwändiger. Auch Tätigkeiten in medizinischen und juristischen Berufen sowie in vielen anderen Dienstleistungsberufen können schwer ins Ausland verlagert werden, da diese Berufe eine große Kundennähe erfordern.

Bereits 2012 warnte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung vor Prognosen des Typs: „Im Jahre x werden y Millionen Fachkräfte fehlen und insbesondere z Tausend Stellen für diese und jene Fachkräfte nicht besetzt werden können.“ Bereits bei der Analyse des Ist-Zustandes werde zudem regelmäßig unterschlagen, dass es zeitgleich mit Fachkräfteengpässen auch Arbeitslose gebe, die es schwer hätten, einen (ihrer Qualifikation entsprechenden) Arbeitsplatz zu finden.

Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) meldete Anfang Dezember 2022, dass die sogenannte Fachkräftelücke – die Zahl der offenen Stellen, für die es rechnerisch bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt – im dritten Quartal 2022 auf 573.000 gesunken war. Ein deutlicher Fachkräftemangel bestehe weiterhin in den Bereichen „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“, „Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik“, „Naturwissenschaft, Geografie und Informatik“ sowie „Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung“.